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Archiv 2024

Im Zugehen auf die offizielle Präsentation des Dülmener Gedenkortes "Keller Pins" am 7. Juni kam nun überraschende Post aus Israel. Ruth Klestorny, die ihre Kindheit an der Seite von Johanna Pins in Montevideo verbrachte, hat in einem fiktiven Brief an ihre Verwandte („Atta“) eine liebenswerte Erinnerung formuliert. Bereits in der Weihnachtsausgabe 2020 der Dülmener Zeitung findet sich unter den Titel „Von Tante Atta und ihren Kinderbüchern“ ein bewegender Bericht über Johanna Pins (1906-1982), die für Ruth („Ruthchen“) wie eine Pflegemutter war. Hier die aktuellen Zeilen:

16. Mai 2024 // Atta (Johanna), mit viel Liebe hast Du sehr oft auf mich aufgepasst. Wir wohnten im selben Gebäude, auf der gleichen Etage. Mit geöffneten Fenstern konnten wir uns sehen und sogar plaudern. Euer Geschäft mit Elektroartikeln lag direkt um die Ecke. Es war häufig meine Zuflucht, wenn meine seligen Eltern zu ihrer Arbeit gingen. Ich machte dort meine Schulaufgaben (in Spanisch). Handelte es sich um Mathematik, da warst Du Spezialistin und halfst mir! Dann kam dein lieber Gatte, Onkel Hihi (Herbert Seelig) mit Köstlichkeiten von der Konditorei. Auch begleitete ich Dich, Einkäufe in der Nachbarschaft machen. „Warum habt Ihr keine Kinder?“, fragte ich Atta. Die Antwort: „Wir haben ja Dich!“ Die Zeiten änderten sich, Onkel Hihi verstarb (1967), euer Geschäft wurde verkauft. Du kamst jeden Mittag zu uns essen, ganz einfach, in unsere Küche. Am Abend hast Du mit belegten Brot auf einem Teller bei uns gegessen. Atta, ich erinnere mich mit voller Liebe und Respekt an Dich! – Dein Ruthchen (!)

 

Das Foto zeigt Johanna (zweite von links) bei der Hochzeit ihres "Pflegekindes" Ruth Klestorny.

„Ihr habt euer Leben noch vor euch: Ich wünsche euch, dass ihr guten Spuren folgt und dass ihr selbst gute Spuren in eurem Leben hinterlasst!“ Mit diesen Worten endet ein Schreiben, das schon bald die Zehntklässler der weiterführenden Schulen Dülmens erreichen wird. Es stammt vom Vorsitzenden des Dülmener Heimatvereins, Erik Potthoff, der dieses Schreiben einem Buchgeschenk beifügt, das der Heimatverein den Heranwachsenden überreichen möchte: „Hier wohnte. Auf den Spuren von Dülmener NS-Opfern“, so lautet der Titel. „Die politische Bildung ist für einen heranwachsenden Menschen wichtig“, findet Potthoff. „Gerade in unserer Zeit spüren wir, wie empfindlich unser Miteinander ist – in unserem Land wie auch weltweit“, heißt es in dem Schreiben >>>.

Erinnerungen und Austausch zum 8. Mai.

Man konnte eine Stecknadel fallen hören, als Bernhard Suttrup über seinen Vater sprach, der im Februar 1945 in sowjetischer Gefangenschaft verhungert ist. Erst vor kurzem entschied sich Suttrup, auf dem Familiengrab in Dülmen an seine Eltern und eben auch an seinen Vaters, den er nie kennenlernen durfte, zu erinnern: „Ein sinnloser Krieg zerstörte ihr Familienglück“, steht dort in Stein gemeißelt. Bernhard Suttrup war einer der vielen Gäste, die am Mittwochabend den Saal „Fritz“ im einsA füllten. Sie verfolgten den Bildervortrag von Pfarrer Markus Trautmann zum Thema „Der 8. Mai: Historisches Datum und heutiger Auftrag“. Trautmann führte anhand von über 100 Bildern durch die letzten 80 Jahre und schilderte unterschiedlichste Weisen, wie Menschen in Dülmen und Umgebung seit 1945 an den Krieg erinnern. Da gibt es offizielle Zeremonien oder private Gedenkfeiern, religiöse oder profane Bilder und Figuren, persönliche Nachlässe oder öffentliche Skulpturen, Exponate im Stadtarchiv oder Bilder im Familienalbum, emotionale Erlebnisberichte oder sachliche Interviews. Außer Suttrup standen noch weitere geladene Gäste am Mittwochabend Rede und Antwort, als es um Fragen zur Erinnerungskultur ging. So berichtete Justin Maasmann über bis heute vorhandene Einmann-Bunker rund um Merfeld. In Buldern erhaltene Einschusslöcher in einem Hinterhof konnte Dr. Dieter Potente erläutern: „Der Überlieferung nach wurden hier beim Einmarsch der Alliierten Bahnbedienstete hingerichtet, die aufgrund ihrer schwarzen Uniform mit SS-Leuten verwechselt wurden.“ Doch er fügt hinzu: „Wirklich belegen lässt sich diese Erzählung allerdings nicht.“ Erik Potthoff, Vorsitzender des Dülmener Heimatvereins und leidenschaftlicher Ansichtskartensammler, durfte eine Postkarte in Empfang nehmen, die einen Holzschnitt von 1948 von der zerstörten Viktorkirche zeigt. „Ich kannte dieses Motiv bislang nicht“, freute sich Potthoff über ein bei Laumann gedrucktes Frühwerk des Dülmener Kriegsheimkehrers Erich Brock (1924-1983). Hildegard Stegehake erzählte anhand einer mitgebrachten Granathülse, wie derartige Kriegsrelikte noch lange Zeit in ihrer Familie Verwendung fanden, etwa als Blumenvasen auf dem Grab ihrer Großeltern. Und das Resümee des Abends? „Das Andenken an den Krieg und die Mahnung zum Frieden sind seit 80 Jahren von großer Vielfalt, Zeitbedingtheit und Weiterentwicklung geprägt“, findet Markus Trautmann, „und daher deshalb müssen sie immer wieder vergewissert, erläutert, kommentiert oder auch hinterfragt werden.“

Hedwig Schulze Weddern staunte nicht schlecht, als sie sich vor kurzem wieder einmal in verschiedene historische Dokumente aus der traditionsreichen Hofgeschichte vertiefte und ein Poesiealbum ihrer Schwiegermutter (gleichen Vornamens) in die Hand nahm und durchblätterte. „Ich blieb bei dem Namen Hanna Pins hängen“, berichtet sie, „da ich im letzten Jahr an einer Führung zum Keller Pins in der Nähe der Viktorkirche teilgenommen habe.“ Plötzlich steht ihr eine damalige jüdische Jugendfreundin ihrer Schwiegermutter vor Augen, deren späteres Schicksal sie anrührt.

Vor über 100 Jahren kam das kleine Poesiealbum im schlichten schwarzen Einband auf den Hof Schulze Weddern: „Zur Erinnerung an die erste heilige Kommunion“, so lautet auf der ersten Seite die Widmung einer Familie Krieger vom 20. April 1918. Die Beschenkte war die damals elfjährige Hedwig (1907-1998), die fortan ihre Mitschülerinnen, Nachbarn oder Verwandte um einen Eintrag in das Büchlein bat. Insgesamt 32 Einträge kamen zwischen 1918 und 1934 zusammen. Allein 13 Seiten mit oft rührseligen Sprüchen wurden während eines Aufenthalts in einem Pensionat in Godesberg 1926 gestaltet. „Dies Album mög‘ ein stiller Garten werden, / darin eine Blume pflanze jede Hand, / die ich gedrückt, verehrt, geliebt auf Erden, / mit der ich einst der Jugend Kränze wand.“ So lesen wir in einem Beitrag vom 21. Juni 1926; und weiter: „Durchwandert dann mein Herz in spät’ren Tagen / den Flor von Rosen und Vergissmeinnicht, / wird es in seliger Erinnerung schlagen, / weil jedes Blatt von süßen Stunden spricht.“ 

Der Beitrag der knapp zwölfjährigen Hanna Pins (1906-1982), Tochter des jüdischen Viehhändlers Louis Pins und dessen Frau Fanny, spricht so gar nicht „von süßen Stunden“. Die Widmung, zwar in der Orthographie etwas unsicher, dafür mit festem Schwung zu Papier gebracht, lautet: „Das Leben – ein Kampf. Siege!“ Und darunter: „Dieses als Leitstern für dein ganzes Leben von Deiner Freundin Hanna Pins.“ Formuliert wurden die Zeilen am 28. April 1918, also wenige Tage nach der Erstkommunion von Hedwig. „Für ein Kind ist so eine Äußerung höchst untypisch“, findet Hannelore Schulze Weddern, die Enkelin der einstigen Poesiealbumbesitzerin. Was mag der Hintergrund dieser so ernsten, fast harten Worte sein, die Hanna Pins ihrer Freundin als „Leitstern“ empfahl? War der „Kampf“ eine Art Familienmentalität, von den Eltern Pins ihrer Tochter vermittelt? Oder schwebten die damals aktuellen Kriegsereignisse um die deutsche „Frühjahrsoffensive“ im Hintergrund? Waren es allgemein die Entbehrungen und Ängste während des Ersten Weltkriegs, die auch in einem Kind ihre Spuren hinterließen? Jedenfalls sollte rund 20 Jahre später das Leben für Hanna Pins tatsächlich ein Kampf ums Überleben werden: Im letzten Augenblick konnte sie Ende 1940  mit ihrer Stiefmutter Jenny nach Uruguay fliehen; ihr Vater Louis verstarb im Sommer 1939 in Gestapohaft.

Hanna Pins empfahl ihrer Freundin Hedwig Schulze Weddern die Maxime „Das Leben – ein Kampf. Siege!“ als einen „Leitstern für das ganze Leben“. Tatsächlich war die Angesprochene ein Mensch, die sich zielstrebig durchzusetzen verstand. „Meine Schwiegermutter wusste genau, was sie wollte“, erinnert sich die Schwiegertochter rückblickend.

Auf eine ganz besondere Überraschung zum Ende ihrer Grundschulzeit dürfen sich in den kommenden Wochen 465 Jungen und Mädchen des 4. Schuljahrs der Dülmener Grundschulen freuen: Der Dülmener Heimatverein schenkt jedem Kind ein Exemplar des neuen Kinderbuchs „Ein besonderer Schatz“, das vom Schicksal der Dülmener Familie Pins erzählt. „Es ist eigentlich eine traurige Geschichte – die uns aber Mut machen will, respektvoll miteinander umzugehen“, so schreibt der Vorsitzende Erik Potthoff in einem Brief >>> an die Kinder. 

Nachdem am 6. Februar 2022 auf dieser Website der Artikel „Anna Katharina Emmerick und die jüdische Geschichte“ platziert wurde, soll nun noch einmal die Dülmener Selige in den Blick genommen werden – zumal in diesem Jahr ihr 250. Geburtstag begangen werden kann.  Vor 150 Jahren, am 9. Februar 1874, kamen einige Geistliche und Laien aus dem Münsterland zusammen, um den 50. Sterbetag von Anna Katharina Emmerick (1774-1824) zu begehen. Doch noch ein weiteres Anliegen kam bei dieser Gelegenheit zur Sprache: Man vereinbarte, fortan systematisch eine Sammlung von Erinnerungsstücken sowie Zeitzeugenberichte über die „Mystikerin des Münsterlandes“ zusammenzutragen, um diese künftig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Besonders engagierte sich in dieser Angelegenheit der aus Dülmen stammenden Diözesanpriester Thomas Wegener (1831-1919), der maßgeblich an der Errichtung einer Emmerick-Gedenkstätte (an der Lüdinghauser Straße, nahe der heutigen Heilig-Kreuz-Kirche) beteiligt war und 1891 im Laumann-Verlag das Buch „Das wunderbare innere und äußere Leben der Dienerin Gottes Anna Katharina Emmerick“ publizierte. Darin finden sich zahlreiche interessante Aufzeichnungen, in denen Wegener seine Befragungen älterer Dülmener schildert – so auch die folgende: „Selbst Juden kamen zu ihr, um ein Trostwort aus ihrem Munde zu vernehmen. Ein jüdischer Mann aus Dülmen bewahrte als teure Reliquie ein Nähkissen, welches seine Großmutter von Anna Katharina empfangen hatte. Der Jude teilte ferner mit, seine Mutter habe oft Anna Katharina Emmerick besucht und sei von ihr unterrichtet worden, wie man Hemden ausstücke (mit Stickereien verziert; Anm.) und dergleichen. Seine Mutter habe auch mitgeteilt, dass sie so viel gelitten habe, so geduldig, sanftmütig und gegen Jedermann so liebenswürdig gewesen sei, wie kein anderer. Bei Krankheiten gebrauchte diese jüdische Familie das Kissen durch Auflegen.“ (4. Auflage 1902, S. 354f.)

Der Kreis Coesfeld stellt auf seiner Internetseite ein neues Onlineangebot >>> zur Verfügung, welches die NS-Zeit im Kreis beleuchtet.

Dem neuesten Stand der Wissenschaft verpflichtet, richtet sich dieses Onlineangebot an Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, sowie an historisch Interessierte. Das Angebot ist in zwei große Blöcke aufgeteilt. In der Einleitung und dem Didaktischen Kommentar wird das Anliegen und die Struktur der Inhalte vermittelt. Im Bereich Grundlagen werden Infotexte und schon erste Arbeitsblätter für den Unterricht (PDFs) bereitgestellt.

 

Internetplattform über Antisemitismus besteht seit einem Jahr: Am 27. März 2023 ging die Website www.spuren-sichtbar-machen.de online, um Beiträge über judenfeindliche Objekte im öffentlichen Raum zu sammeln und zu kommentieren. Die Website ist ein Projekt der Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit (ada) sowie der Diakonie im Kreis Höxter. „Die Darstellung von Juden und dem Judentum in der christlichen Bildsprache hat eine lange Geschichte, die von antijüdischen Stereotypen geprägt ist“, erläutern die Initiatoren ihr Anliegen. „Im Laufe der Jahrhunderte haben sich zahlreiche Bilder und Symbole etabliert, die mit dem Judentum im Allgemeinen und Juden im Besonderen assoziiert werden. Diese Bilder und Symbole haben dazu beigetragen, antijüdische Ressentiments und Stereotype in christlich geprägten Gesellschaften zu tradieren und Pogrome gegen die jüdische Minderheit vom Mittelalter bis in die Neuzeit unter Berufung auf christliche Theologie zu legitimieren. Inakzeptabel ist, wenn Hassbotschaften unkommentiert bleiben. Jeder Form von Judenfeindlichkeit gilt es immer und überall zu widersprechen. Gerade wenn historische Objekte heute von vielen Menschen nicht mehr als judenfeindlich erkannt werden, ist es wichtig Ursprünge, Zusammenhänge und Folgen sichtbar zu machen.“ Daher möchte „spuren-sichtbar-machen.de“ judenfeindliche Darstellungen dokumentieren und ihren Kontext erklären.

 

Voll besetzt war heute Morgen das Bendix-Forum des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums. Nicht nur Schülerinnen und Schüler, auch zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger folgten dem Vortrag von Katrin Himmler, Großnichte von Heinrich Himmler.

Die Politikwissenschaflterin referierte über ihre Familiengeschichte und ihren Großonkel,einer der mächtigsten und brutalsten Täter des Nationalsozialismus, der als hauptverantwortlicher Organisator des Holocaust gilt.

Fragen nach dem Weg Heinrich Himmlers an die Spitze des nationalsozialistischen Unrechtsstaates, aber auch danach, welche Folgen dies für die Familie Himmler bis heute hat, standen im Mittelpunkt des Vortrags von Katrin Himmler. In der anschließenden, lebendigen Diskussion wurden dann aber auch die Erkenntnisse, die man durch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der eigenen Familie haben kann, besprochen. Außerdem zeigte die Politikwissenschaftlerin noch die Parallelen in der Strategie der Nationalsozialisten und der heutigen neonazistischen ‚Neuen Rechten‘ auf und appellierte an die Zuhörerinnen und Zuhörer, dieser gefährlichen politischen Bewegung kritisch zu begegnen.

„Vor 80 Jahren stand ich auf der Todesliste“, mit diesen drastischen Worten startete Eva Weyl ihren Vortrag am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium. Die heute 88-Jährige überlebte das KZ-Durchgangslager Westerbork und berichtete rund 150 Schülerinnen und Schülern von ihren Erfahrungen. Mit dabei war der Verein für Medienarbeit.
 

Bücher

Auf jüdische Spuren
in der Stadtbücherei

„Im Übrigen, mein Sohn, lass dich warnen!“, so beendet der alttestamentliche Weise Kohelet das gleichnamige Werk: „Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben, und viel Studieren ermüdet den Leib.“ (Koh 12,12) Gleichwohl erfreuen sich Buchläden und Büchereien nach wie vor großer Beliebtheit: Nicht zuletzt in Zeiten der Corona-Einschränkungen griffen viele Menschen verstärkt zu Büchern. Ein kleiner Rundgang durch die Dülmener Stadtbücherei nennt zehn hier vertretene jüdische Autorinnen und Autoren.

Heinrich Heine

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Dorothee Feller

Dorothee Feller

Landesministerin NRW

Ich freue mich zu sehen, wie intensiv Sie sich in der Kirchengemeinde St. Viktor mit der Erinnerungskultur auseinandersetzen. Um dem antisemitischen Bestreben wirksam entgegenzutreten, braucht es mehr
positive Beispiele wie Ihre Kirchengemeinde, die nicht nur reden, sondern handeln, und sich dadurch aktiv für die Menschlichkeit einsetzen.