Wer war der bekannteste deutsche Jude? War es der Philosoph Karl Marx? Oder der Dichter Heinrich Heine? Oder der Physiker Albert Einstein? Schwer zu sagen – jedenfalls war einer von ihnen schon mal zu Gast in Dülmen: Heinrich Heine (1797-1856), damals noch mit dem Vornamen Harry. In diesem Jahr ist nicht nur der 225. Geburtstag Heines; sondern es ist auch 200 Jahre her, dass er 1822 in der Dülmener Poststation logierte. Das genaue Datum ist bedauerlicherweise nicht bekannt, aber eine bronzene Gedenktafel am Königsplatz erinnert bis heute an den berühmten Gast. 

Sein Leben lang war Heine viel unterwegs, am Ende starb er fern seiner Heimat im Pariser Exil. In zahlreichen Gedichten und Reisebeschreibungen beschrieb er seine Eindrücke von Land und Leuten – so auch bei verschiedenen Reisen durch Westfalen. Es dürfte übrigens an seinem westfälischen Kindermädchen gelegen haben, dass Heine seinen beißenden Sarkasmus, völlig untypisch, nicht über deren Landsleute ausgoss. „Ich habe sie immer so liebgehabt, / die lieben, guten Westfalen, / ein Volk, so fest, so sicher, so treu, / ganz ohne Gleißen und Prahlen“, so formulierte er in „Deutschland. Ein Wintermärchen“. 

Als Harry Heine geboren,  wuchs er in einer großbürgerlichen Familie auf, die dem liberalen Judentum angehörte. Religiös eigentlich völlig indifferent, sah Heine in seiner Taufe 1825 bzw. in seinem Eintritt in die evangelische Kirche „nichts als eine bloße Nützlichkeitstatsache“ und im Taufschein nur das „Entre Billet zur Europäischen Kultur“. Dennoch musste er – von nun an nicht mehr „Harry“, sondern „Heinrich“ – in den folgenden Jahren schmerzhaft feststellen, dass viele Träger dieser Kultur auch einen getauften Juden wie ihn nicht als ihresgleichen akzeptierten. Auch diese Erfahrung war wohl ursächlich für seine wütenden Ressentiments gegen bürgerliche Fassaden und spießige Angepasstheit. 

In den Jahren 1822 bis 1824 befasste sich Heine literarisch erstmals intensiv mit dem Judentum. Auf einer Reise nach Posen, die er 1822 von Berlin aus unternahm, begegnete er erstmals dem Chassidismus, einer religiös-mystischen Strömung des orthodoxen Judentums, der ihn zwar faszinierte, mit dem er sich aber nicht identifizieren konnte. Nach seiner Taufe rückten jüdische Themen im Werk Heines zwar in den Hintergrund. Sie beschäftigten ihn aber ein Leben lang und traten vor allem in seinem Spätwerk wieder verstärkt zutage, etwa in den „Hebräischen Melodien“, dem Dritten Buch des „Romanzero“.