Vor 90 Jahren zerschlugen die Nazis die Freien Gewerkschaften / DGB regt Feierstunde an.

Es war der 2. Mai 1933, als die NSDAP gewaltsam alle freien Gewerkschaften zerschlug. 90 Jahre danach gedenken die Dülmener und Coesfelder Gewerkschafter nun dem Überfall auf das Gewerkschaftsbüro in Dülmen und Coesfeld. Ortwin Bickhove-Swiderski, Vorsitzender des DRG Dülmen und des Coesfelder Kreisverbandes, regt eine gemeinsame Veranstaltung dazu an. „Wir sollten an diese schrecklichen Vorgänge in einer Feierstunde gedenken“, so sein Vorschlag. Und betont: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“

Bickhove-Swiderski, der sich als Heimatforscher schon häufig mit der NS-Zeit befasst hat, erläutert die Geschehnisse vor 90 Jahren in Dülmen.

So wurde bereits am 22. April 1933 gewaltsam durch die Dülmener NSDAP die Geschäftsstelle des Christlichen Textilarbeiterverbandes in der Marktstraße 41 geschlossen, der hauptamtliche Gewerkschaftssekretär des Christlichen Textilarbeiterverbandes, der Coesfelder Wilhelm Göcke in „Schutzhaft“ genommen. Er hatte zuvor ein Flugblatt unterzeichnet und sich gegen die Absetzung der frei gewählten Betriebsräte ausgesprochen. Die Dülmener NSDAP hatte zuvor die Betriebsräte der Firma Bendix von ihren Funktionen entbunden. Bereits am 19. April waren die frei gewählten Betriebsräte durch die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation gezwungen worden, ihre Mandate aufzugeben.

Ohne je einen Haftbefehl gesehen zu haben, wurde Göcke über fünf Tage im „Braunen Haus“, der Zentrale der NSDAP in Dülmen, gefangen gehalten und dabei mehrmals schwer misshandelt, was ein ärztliches Gutachten bestätigte. Göcke bliebt bis zum 27. April 1933 in „Schutzhaft“. Ab dem 1. September 1933 war er dann ohne Arbeit und ohne Einkommen und erhielt erst im Oktober 1934 eine besoldete Stelle als Kirchenkassenrendant.

Wilhelm Göcke trat mit 15 Jahren dem Christlichen Textilarbeiterverband bei. Ab 1928 war er hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär und wurde 1933 seiner Funktion enthoben. Die „Verhaftung“ nahmen Hilfspolizisten aus den Reihen der SA vor. Nach 1945 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der CDU in Coesfeld, war dort ehrenamtlicher Bürgermeister. Auch als Mitglied des Kreistages und Mitglied der Landschaftsversammlung Westfalen/Lippe war er später aktiv.

Ebenfalls ein Ziel der Nazis: Elisabeth Küper (1901 bis 1991). Sie war ab 1931 hauptamtliche Gewerkschaftssekretärin für den Christlichen Textilarbeiterverband. Elisabeth Küper wurde genau am 2. Mai 1933 wegen „staatsfeindlicher Einstellung“ durch die NSDAP in Münster entlassen. Zwei Jahre lebte sie wegen der Verfolgung wie auf der Flucht. Sie gehörte dem „ernannten Landtag“ NRW 1946 an und am 13. August 1953 gehörte sie zu den Mitbegründern der CDU in Merfeld, so Bickhove-Swiderski.

Er erinnert auch an das Schicksal weitere heimische Funktionäre: Franz Bargel, der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), lebte 1933 schon in der Illegalität. Von Kollegen wurde er bis 1945 mit Nahrung und kleinen Geldspenden unterstützt. Seine Nerven waren so zerrüttet, dass er nach dem Krieg keiner Arbeit mehr nachgehen konnte. Anton Hörbelt wurde ebenso als Gewerkschaftsfunktionär geschlagen und geschunden. Er war bis 1933 Parteisekretär der SPD und nach 1945 einer der ersten hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre im Kreis Coesfeld.

Der Heimatforscher erinnert zudem daran, dass das NS-Regime den 1. Mai als „Tag der nationalen Arbeit“ zum gesetzlichen Staatsfeiertag bei voller Lohnfortzahlung erklärt hatte, um unter Arbeitern Sympathien für den Nationalsozialismus zu fördern. Damit gingen sie scheinbar auf eine alte Forderung der internationalen Arbeiterbewegung ein. Endgültig wurde der 1. Mai gesetzlicher Feiertag durch Gesetz vom 27. Februar 1934.

Am 1. Mai 1933 wurde auch in Dülmen und Coesfeld der „Tag der nationalen Arbeit“ erstmals als gesetzlicher Feiertag begangen. Um 8.30 Uhr mussten die Belegschaften vor den Betrieben antreten, dann wurde die Hakenkreuzfahne auf dem jeweiligen Gebäude gehisst und ein dreifaches Heil auf den Führer ausgerufen. Dann eine Übertragung der Rede Hitlers. Abends Fackelumzüge mit allen Formationen, von Schützenvereinen bis zu Turn- und Sportvereinen, selbst die jeweiligen Innungen marschierten mit.

 

Bericht der Dülmener Zeitung, Foto: Stadtarchiv Dülmen
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