Viele katholische Christen richten im Monat Mai einen besonderen Blick auf die Mutter Jesu – nicht zuletzt durch das Beten und Betrachten der „Lauretanischen Litanei“. Darin wird Maria in besonderen poetischen Anrufungen geehrt. „Eigentlich geht es um das Wirken Gottes an dem jüdischen Mädchen Miriam aus Nazareth und damit an der ganzen Menschheit“, erklärt Pfarrer Markus Trautmann. Etliche alttestamentliche Bezüge lassen sich hier finden. So nimmt etwa die Anrufung: „Du starker Turm Davids“ (Turris Davidica) Bezug zum Hohenlied (4,4). Die Anrufung „Du Bundeslade Gottes“ (Foederis arca) erinnert an den mit Gold überzogenen hölzernen Kasten mit den zwei Tafeln der Zehn Gebote im Jerusalemer Tempel, der von den Juden als Wohnung Gottes interpretiert wurde. Weitere Anrufungen Maria als Königin nennen die „Königin der Patriarchen“ oder die „Königin der Propheten“.

Diese jüdisch-alttestamentlichen Bezüge christlicher Spiritualität haben in Dülmen einen besonderen Ausdruck gefunden: Im Innenraum von St. Viktor befindet sich an der Nordwand eine Kopie des Gnadenbildes von Neviges, zu dem die Dülmener seit dem 17. Jahrhundert pilgern. Das unscheinbare Papierblättchen der „Immaculata“ wird von einer relativ breiten Rahmung aus Silberblech eingefasst. Diese künstlerische Ziselierarbeit der Goldschmiedin Ursula Bach-Wild aus Münster wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aus demoliertem Gebrauchs- und Schmucksilber geschaffen, das beim Wiederaufbau Dülmens aus den Trümmern der Stadt geborgen wurde. Das aus dem eingeschmolzenen Silber entstandene Passepartout zeigt Blüten und kleine Schriftbänder – eben mit den Ehrentiteln für Maria bzw. Anrufungen aus der „Lauretanischen Litanei“ – von denen die letzte und optisch am größten gefasste lautet: „Du Königin des Friedens!“