Vor 100 Jahren starb Franz Kafka
"Der Kafka-Kult. Vom Eigenbrötler zum Popstar“ – so titelt das Nachrichtenmagazin SPIEGEL auf der aktuellen Ausgabe (Nr. 23/2024). „Franz Kafka hat die Welt nicht verstanden. Die Welt aber versteht ihn“, so Autor Xaver von Cranach. „Obwohl er schon vor 100 Jahren starb, scheinen seine Romane heute das Lebensgefühl der Postmoderne perfekt zu treffen.“
Wir haben anlässlich des 100. Todestages des Prager Juden und Schriftstellers Franz Kafka (am 3. Juni) den Dülmener Deutschlehrer und Kulturpolitiker Florian Kübber durch vier Fragen um eine Einschätzung zu Kafka gebeten.
Erste Frage: Wann und wie war Ihr erster persönlicher Zugang zum Werk von Franz Kafka?
Antwort: Mein erster Zugang zum Werk von Franz Kafka war in der Oberstufe. Ich habe mir damals in der Stadtbücherei ein Sammelwerk von Franz Kafka ausgeliehen und einfach etwas gelesen.
Zweite Frage: Welche Rolle spielt Kafkas Werk nach Ihrer Wahrnehmung heute im Schulbetrieb, d.h. über die eigene Schule hinaus, z.B. im Lehrplan?
Antwort: Leider spielen die Werke von Franz Kafka aktuell keine große Rolle im Schulbetrieb. Dies hat, zumindest in der Realschule, mit der Einführung der zentralen Abschlussprüfung zu tun, wo einfach nicht mehr vorgesehen ist, Parabeln inhaltlich im Unterricht zu fokussieren. Die älteren Kolleginnen und Kollegen haben mir aber berichet, dass frührer gerne in der 10. Klasse mit den Schülerinnen und Schülern über die Parabeln und Kurzgeschichten von Franz Kafka gesprochen wurde. In der Oberstufe ist es vielleicht auch etwas anders, hier könnte ich mir gut vorstellen, mit Schülerinnen und Schülern über die Texte von Kafka zu sprechen.
Dritte Frage: Wo sehen Sie die Grenzen und Chancen, sich als junger Mensch mit Kafka zu befassen?
Antwort: Im Prinzip sehe ich keine Grenzen, sich als junger Mensch mit den Werken von Kafka zu beschäftigen. Allerdings müssen junge Menschen erst etwas motiviert werden, in die Werke von Kafka einzutauchen. Die Werke sind oft sehr linear strukturiert und detailgetreu und realistisch verfasst. Man muss sich auf die Texte einlassen und auch bereit sein, über die Texte im Anschluss etwas nachzudenken und zu überlegen, wie diese parabelhaften Texte von Kafka decodiert werden können. Dies kann mitunter immer wieder zu kontroversen Diskussionen führen, da die Texte nicht eindeutig entschlüsselt werden können.
Vierte Frage: Welches Kafka-Werk wäre ein guter „Einsteiger“?
Antwort: Ich bin über "Die Verwandlung" zu Kafka gekommen. Hier gibt es direkt mehrere Motive zu entdecken: Die Interaktion mit der Gesellschaft, die Familie und auch das Verhältnis zur Arbeitswelt werden hier thematisiert. Darüber hinaus geht es um die Identität von Gregor Samsa, der Hauptperson. Insgesamt sind dies immer noch sehr aktuelle Interperationen, die uns Kafka mit diesem Werk offeriert, weshalb es sich zum Einstieg sicherlich anbietet. Aber auch die Romane "Der Prozeß" und "Das Schloß" bieten sich als Einstieg an. Zusätzlich kann aber auch Sekundärliteratur über Kafka hilfreich sein, etwa die Lebensgeschichte des Autors, um die Werke insgesamt besser verstehen und rezipieren zu können.