Ein Projekt der
Kirchengemeinde St. Viktor
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Der Tief- und Hochbau 
wird gefördert durch
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Archiv 2020/21

Grab von Louis Pins

Mit dem E-Bike auf jüdischen Spuren.

Erst war es nur eine Idee, dann folgte zügig die konkrete Planung: Eine „Best-Agerin“ aus dem Dülmener Umland (die nicht genannt werden möchte) verbrachte Anfang Juli einige Urlaubstage in Hamburg – mit einem ungewöhnlichen „Ausflugsziel“: Sie fuhr mit einem ausgeliehenen E-Bike durch die Hansestadt und erforschte Spuren und Erinnerungsorte, die über die Hamburg-Tour eines anderen Dülmeners Aufschluss geben, mehr als 80 Jahre zuvor. Die Rede ist vom jüdischen Viehhändler Louis Pins, der im Frühjahr 1939 nach Hamburg fuhr, um dort die Ausreise seiner Familie aus Nazi-Deutschland vorzubereiten. Er wurde verhaftet, gefoltert und in den Suizid getrieben. 

„Ich habe davon in der Zeitung gelesen“, berichtet die Dülmenerin, „als die Ideen zum Gedenkort ‚Keller Pins‘ an der Viktorkirche vorgestellt wurden.“ Ferner wird in einem erklärenden Booklet das tragische Geschick der Familie Pins umrissen, „aber auch diese wenigen Zeilen haben mich stark angerührt“, sagt sie. Und so begab sie sich auf eine dreitägige Tour durch Hamburg zu den Orten, die auch Louis Pins aufgesucht hatte: angefangen beim prächtigen Hauptbahnhof über das Grindelviertel (ehemals Sitz des jüdischen Auswandererbüros) und das Levante-Haus (ehemals Sitz des Konsulats von Uruguay) bis hin zum früheren Gestapo-Quartier im „Stadthaus“ und zum Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel. Wenngleich das alte Hamburg aus der Vorkriegszeit nicht mehr existiert: Baugeschichtlich sind die genannten Orte fast allesamt erhalten. „Nur das Grindelviertel ist überbaut, aber da gibt es neben einigen Erinnerungstafeln die jüdische Schule, die 1942 zwangsgeschlossen wurde an der gerade der erste Abiturahrgang nach dem Krieg abgeschlossen hat“, so ihre Erkenntnis. Auch in der Gedenkstätte Fuhlsbüttel gibt es eine „Ehrentafel für die Ermordeten“, auf der auch Louis Pins aus Dülmen verzeichnet ist. 

Besonders bewegend war am Ende der Besuch am Grab von Louis Pins auf dem Friedhof Ohlsdorf. „Auf dem altehrwürdigen Großstadtfriedhof wurde ihm eine Armenbestattung zugestanden“, berichtet die Hamburg-Reisende. „Die Tafel ist im Boden eingesunken und kaum zu finden.“ Ob Louis Pins‘ Frau und Tochter vor deren Ausreise Ende 1940 noch mal das Grab des Gatten und Vaters besuchen konnten, ist fraglich. „Durch die Begegnung mit einem Einzelschicksal wurde für mich deutlich, was der Schrecken der Nazi-Diktatur für so viele damals bedeutet hat. Ich habe am Grab von Louis Pins eine Rose abgelegt“, so das Resümee. Und sie fügt hinzu: „Ich glaube, dass Louis Pins zu ‚unseren älteren Brüdern‘ gehört, wie es Papst Johannes Paul II. einmal formuliert hat, und ich meine, dass wir nicht vergessen dürfen.“ Und sie zitiert die letzten Worte eines in Fuhlsbüttel Hingerichteten: „Eines Tages wird das Heute Vergangenheit sein, wird man von der großen Zeit und von den namenlosen Helden sprechen, die Geschichte gemacht haben. Ich möchte, dass man weiß, dass es keine namenlosen Helden gegeben hat. Dass es Menschen waren, die ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Sehnsucht und ihre Hoffnung hatten und dass deshalb der Schmerz auch des letzten unter ihnen nicht kleiner war als der Schmerz des ersten, dessen Name erhalten bleibt.“

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Das Projektteam

St. Viktor bittet um Spenden für Bodenfenster und Erinnerungsort.

St. Viktor bittet um Spenden für Bodenfenster und Erinnerungsort. Benötigt werden 30.000 Euro. Und zwar bis September. Mit einem Spendenaufruf wendet sich Markus Trautmann, Pfarrdechant von St. Viktor, jetzt an die Dülmener.

Gebraucht wird das Geld, um auf dem Gelände des Intergenerativen Zentrums einsA beziehungsweise des Familienzentrums St.-Anna-Kita ein archäologisches Bodenfenster sowie einen Gedenkort für die hier einst ansässige jüdische Familie Pins einzurichten. Im September sollen die Arbeiten zur Umgestaltung des Kirchplatzes beginnen. Dann könnte das Bodenfenster angelegt werden. Das geht allerdings nur, wenn die Finanzierung steht. Mittel aus dem Haushalt stehen dafür nicht bereit, macht Christoph Fehmer, Verwaltungsreferent von St. Viktor, deutlich.

Mit einem handlichen kleinen Buch mit vielen (historischen) Fotos, das zum Mitnehmen ausliegt, wird die Projektidee vorgestellt und bei den Dülmenern um finanzielle Unterstützung geworben. Bei einem Vor-Ort-Termin zwischen der Rückseite der Kirche und dem Bauzaun zum einsA stellte Pfarrer Markus Trautmann das Projekt vor - zusammen mit dem Archäologen Dr. Gerard Jentgens sowie Bernhard Schreiber, Leiter des Familienzentrums St. Anna, und Kita-Kindern.

Das Bodenfenster: Das Bodenfenster, ein 1,60 mal 1,60 Meter großes Gitter aus Cortenstahl, soll den Blick freigeben auf einen Teil des Kellergewölbes des Hauses Kirchplatz Nummer 8, das dicht neben der Kirche St. Viktor stand.

Das Haus Kirchplatz 8: In dem Haus im Schatten der Kirche St. Viktor lebte bis 1938 die jüdische Familie Pins. Luis Pins, ein ehrenwerter und anerkannter Bürger der Stadt, verkaufte es 1938 nach den Ausschreitungen in der Reichspogromnacht (bei denen er misshandelt und verhaftet wurde) an die Gemeinde St. Viktor. Die musste die Immobilie 1939 der Stadt überlassen, die dort ein Heimathaus und eine Volksbücherei einrichten wollte. Bei der Bombardierungen der Stadt im Frühjahr 1945 wurde das Haus zerstört. 1950 wurde auf dem Kellergewölbe eine Baracke für die Pfarrbücherei aufgestellt.

Die Grabungen: Bei archäologischen Grabungen auf dem Gelände des früheren Kindergartens St. Anna im Zuge der Bauarbeiten zum Intergenerativen Zentrums einsA legten Dr. Gerard Jentgens und sein Team Fundamentreste und Kellerwände des Hauses Pins frei. Der Keller wurde unter anderem als Kohlenkeller genutzt. Auf diesen Bereich entlang einer Kohlenschütte könnte man durch das Bodenfenster schauen. Derzeit ist das Areal abgedeckt.

Die Erinnerungen: Könnte das Projekt nicht durch Spenden finanziert werden, würde der archäologische Fund im Boden bleiben, allerdings ohne die Möglichkeit, ihn zu sehen. An die Familie Pins erinnern drei Stolpersteine im Pflaster, die bereits früher verlegt worden sind, für die Dauer der Bauarbeiten aber ausgelagert wurden.

Die Lichtinstallation: In das Gitter, das den Blick auf einen Teil des Pin‘schen Kellers freigibt, sind Davidsterne eingearbeitet. Der Kellerschacht wird bei Dunkelheit oder zu besonderen Anlässen (farbig) illuminiert. Das Licht dringt aus der Tiefe nach oben. u Die Spenden:

Die Spenden für das Projekt können auf das Konto der Zentralrendantur Dülmen, IBAN: DE84 4006 0265 0003 8877 00, Stichwort „Keller Pins“, überwiesen werden. 

 

Bericht der Dülmener Zeitung, Claudia Marcy / Foto: Pressestelle Stadt Dülmen
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Weiße Rosen

Ganz besonderer Besuch fand sich am Montagvormittag (27.1.) an der Dülmener Viktor-Kirche ein: Anlässlich des jährlichen Holocaust-Gedenktages und am 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz legten drei Schüler der Klasse 8 b der Hermann-Leeser-Schule unweit der Sakristei weiße Rosen ab. Der exakte Ort der Ehrung sollte der  „Stolperstein“ am Grundstück Bült 1 sein, wo bis 1938 die Eheleute Louis und Jenny Pins mit Tochter Johanna lebten. Da aber diese Gedenkmarke momentan abgebaut ist, legten die jungen Leute ihre Blumen direkt auf das gerade freigelegte Fundament des Hauses Pins.

Die Dülmener Viktorkirche war  bis 1945 im östlichen und südlichen Bereich von einer relativ kleinteiligen Wohnbebauung umgeben. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wurden die verbliebenen Ruinen eingeebnet, die Fundament- und Mauerreste der Kellergeschosse blieben teilweise in der Erde. Die Parzelle des Hauses Pins (vor 1945: Kirchplatz 8) wurde später Teil der Außenfläche des St.-Anna-Kindergartens. Im Herbst 2007 wurden auf dem hier entlanglaufenden Fußweg drei „Stolpersteine“ zur Erinnerung an die Familie Pins verlegt.

Louis Pins, geb. 1874, war der Vorsteher der jüdischen Gemeinde Dülmens. In der Pogromnacht am 9./10. November 1938 wurde auch die Familie Pins bedrängt und die Wohnung demoliert; Louis Pins war zeitweise inhaftiert. Noch Ende 1938 verkaufte Louis Pins sein Haus für 25.000,- RM an die Kirchengemeinde St. Viktor, die allerdings die Immobilie 1939 der Stadt für die Einrichtung eines Heimathauses überlassen musste.  Im Frühjahr 1939 begab sich Louis Pins nach Hamburg, um dort die Ausreise seiner Familie vorzubereiten. Dort wurde er unter dem Vorwurf des „Devisenschmuggels“ verhaftet und verstarb, vermutlich nach Misshandlungen, am 12. Juni 1939 in Gestapo-Haft. Seiner Frau Jenny und Stieftochter Johanna gelang dann am 24. Dezember 1940 doch noch die Ausreise nach Uruguay.

„75 Jahre nach der Befreiung der NS-Vernichtungslager und in Zeiten neuer antisemitischer Umtriebe ist es nur wünschenswert, dass der bescheidene Rest des einstigen Privateigentums eines Repräsentanten jüdischen Lebens in Dülmen nicht nur materiell im Erdboden erhalten, sondern auch als begehbarer Erinnerungsort  ins öffentliche Bewusstsein gebracht wird“, findet Pfarrer Markus Trautmann, der die Jugendlichen begrüßte.

StViktor

Auf jüdische Spuren
in Dülmener Haushalten

„Da sagte Jesus zu ihnen: Deswegen gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.“ (vgl. Mt 13,52) Fast jeder Mensch sammelt irgendwas – mehr oder weniger bewusst. Zumindest haben wir alle schon einmal irgendein Andenken aufbewahrt und halten es in Ehren. Im Folgenden werden zehn Dülmener Personen vorgestellt, die uns einen kleinen „Schatz“ aus dem Heiligen Land bzw. aus dem Judentum vorstellen. 

INRI 2

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Oliver van Nerven

Oliver van Nerven

WSG Coesfeld

Es ist schön zu sehen, dass ein Ort, an dem Menschen ihrer Wohnung und ihrer Heimat beraubt wurden, in Erinnerung gehalten wird und zu einem Ort des gemeinschaftlichen Miteinanders wird.