Archiv 2023
Einstiegsluke kommt
Die letzten Vorbereitungen laufen: Am 19. September haben zwei Mitarbeiter der Dülmener Stahlbaufirma Jostmeier die letzten Abmessungen für die künftige Gestaltung der historischen Außentreppe zum „Keller Pins“ vorgenommen. Zu diesem Anlass brachten sie schon einmal den neu gefertigten Rahmen sowie die Halterung für die Abdeckung mit. Als Oberfläche für die Abdeckung wird eine angeraute Trespa-Platte verwendet. Als nächstes wird der eiserne Rohling feuerverzinkt und anthrazitfarben pulverbeschichtet; zeitnah folgt die Endmontage. Danach kommen die Restaurateure und werden den archäologischen Bodenfund reinigen und sichern.
Fotos: Christoph Fehmer
Jüdische Gebäude werden Weltkulturerbe
Das jüdisch-mittelalterliche Erbe der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt gilt künftig als Unesco-Weltkulturerbe. Dies beschloss am 17. September das zuständige Komitee auf seiner Tagung in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Damit bilden die Alte Synagoge, das mittelalterliche Ritualbad (die Mikwe) und ein historisches Wohngebäude (das sog. Steinerne Haus) in der Altstadt von Erfurt die 52. Welterbestätte in Deutschland.
Die Alte Synagoge in Erfurt gilt als eine der ältesten, bis zum Dach erhaltenen Synagogen in Mitteleuropa. Bei einem Pogrom 1349 wurde das jüdische Viertel um die Synagoge herum in Brand gesetzt, fast alle der rund eintausend Mitglieder der jüdischen Gemeinde kamen ums Leben. Nach dem Pogrom wurde die Alte Synagoge zunächst zu einem Lagerhaus umfunktioniert und später als Gaststätte sowie als Tanzsaal genutzt. Vermutlich aus diesem Grund ist das Gebäude später vor der Zerstörung durch die Nazis bewahrt worden. Heute befindet sich in der Alten Synagoge, deren älteste Bauspuren um das Jahr 1094 datiert werden, ein Museum mit Zeugnissen des jüdischen Lebens im mittelalterlichen Erfurt.
Alte Synagoge Telgte nun öffentlich zugänglich
Am 10. September 2023 war es so weit: Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten konnte ein einzigartiges kulturgeschichtliches Zeugnis der Öffentlichkeit übergeben werden. –Versteckt und unscheinbar steht eine von ganz wenigen noch erhaltenen ehemaligen Hof-Synagogen Westfalens in der Telgter Altstadt. Entstanden ist das Fachwerkgebäude im frühen 18. Jahrhundert durch Umbau eines um 1500 errichteten Speichers. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts musste jüdisches Leben im Münsterland im Verborgenen stattfinden; Synagogen durften daher nur auf Hinterhöfen errichtet werden. Nachdem die Hof-Synagoge von Telgte bereits 1992 in die örtliche Denkmalliste eingetragen wurde, ist sie nun restauriert bzw. in Teilen rekonstruiert worden, sodass nun die Historie und die Bedeutung dieses besonderen Gebäudes und seine Funktion nachempfunden werden können. Im Rahmen des diesjährigen „Tages des offenen Denkmals“ wurde die Alte Synagoge an der Steinstraße in Telgte in einem kleinen Festakt der Öffentlichkeit vorgestellt und zugänglich gemacht.
Vom Löwen zur Kirchenmauer
Neuer Standort für Bronze-Relief
Das Bronze-Relief an der Kirchplatzmauer St. Viktor, das an die Zerstörung Dülmens im März 1945 erinnert, soll einen neuen Platz an der Außenwand der Kirche St. Viktor erhalten - an jener Seite, die Rathaus und einsA gegenüberliegt. Für den Kulturausschuss, der am 14. September tagt, hat die Verwaltung einen entsprechenden Bericht verfasst. Zeitnah solle nach der Sitzung die Maßnahme umgesetzt werden, heißt es darin.
Ausschlaggebend für die Entscheidung war laut Darstellung der Stadt die Stellungnahme des Bildhauers Jürgen Ebert. Er hat das Relief 1995 nach einer alten Fotografie angefertigt. Ebert kann dem neuen Standort viele positive Seiten abgewinnen. Der helle Sandstein der Kirche lasse die „Durchbrochenheit“ der bronzenen Ruinensilhouette besser zur Wirkung kommen, schreibt er. Die „Umrahmung“ durch die zwei Strebepfeiler gebe dem Relief eine zusätzliche Tiefe. Er regt an, das Relief tiefer aufzuhängen als jetzt. Damit könne die Blickachse des Fotografen 1945 rekonstruiert werden und es werde dessen Blickrichtung von Norden aus eingenommen.
Über den richtigen Standort für das Relief war vor zwei Jahren lebhaft diskutiert worden. Ausgangspunkt waren zwei Anträge gewesen, erst der Fraktion von B90/Grüne, dann der SPD. Beide hatten daran Anstoß genommen, dass sich das Relief direkt neben dem Löwendenkmal befindet. Damit untergraben sich die beiden Denkmäler gegenseitig, hieß es. Für und Wider einer Umhängung des Reliefs wurden in der Bürgerschaft daraufhin kontrovers diskutiert.Der Rat trug im Oktober 2021 dem Bürgermeister auf, in dieser Angelegenheit das Gespräch mit Pfarrer Markus Trautmann zu suchen. Denn die Kirchengemeinde sei Eigentümerin des Reliefs, die Stadt könne keine Entscheidung treffen, hieß es. Bürgermeister und Pfarrdechant kamen überein, die Neugestaltung des Kirchplatzes abzuwarten, um dann, auch öffentlich, über einen neuen Standort zu diskutieren. Der Kirchenvorstand von St. Viktor befürwortet die Verlegung des Reliefs an die Viktor-Kirche, schreibt Jürgen Ebert. Dem Bericht der Stadt sind Fotomontagen des Reliefs am neuen Standort beigefügt. Abzurufen über das Ratsinformationssystem der Stadt.www.duelmen.de
Stellungnahme des Bildhauers Jürgen Ebert >>>
Mit der Einstiegsluke geht‘s weiter
Projekt Keller Pins nimmt wieder Fahrt auf
Kita-Spielplatz soll naturnah gestaltet werden
Allerdings ist der Kellerabgang bislang noch nicht gesichert. Deshalb ist die Gedenkstätte, die auf dem Gelände des Familienzentrums Kita St. Anna liegt, von einem Bauzaun umgeben. Ist erst die Luke fertig, kann auch der Zaun weg. „Mitte September ist er verschwunden“, so Trautmann.
Wichtig sei die Luke für die Durchlüftung und Trocknung des Kellerfragments, das an das Schicksal der jüdischen Familie Pins erinnern soll. Sie wurde Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft: Louis Pins starb in Hamburg in Gestapo-Haft, seiner Frau und seiner Tochter gelang die Flucht nach Uruguay.
Sind Durchlüftung und Trockenheit dank neuer Luke gesichert, muss der Kellerraum gereinigt und behutsam restauriert werden. So müssen Sand und Ablagerungen sowie Pflanzen beseitigt werden, lockere Teile befestigt und Flächen verputzt, skizziert der Pfarrer die anstehenden Arbeiten. Kostenvoranschläge von Restaurationswerkstätten zeigen, wie komplex die Arbeiten sind, die gut eine Woche in Anspruch nehmen werden, schätzt Trautmann.
Was dann noch fehlt, ist die farbige Innenbeleuchtung. Angebracht werden soll zudem eine Info-Tafel aus Plexiglas.
Trautmann ist zuversichtlich, dass innerhalb eines Vierteljahres alle Arbeiten zum Abschluss gebracht werden. Dann soll der Keller Pins als Erinnerungsort mit Leben gefüllt werden.
Mit einer gewissen Ungeduld warten Eltern des Familienzentrums St.-Anna-Kita auf den Fortgang der Arbeiten. Schließlich liegt der Keller Pins mit dem abgesperrten Bereich auf einem Spielplatz, der ohnehin nicht so groß ist, sagen sie.
Verbundleiter Matthias Menkhaus und Verwaltungsreferent Christoph Fehmer verstehen den Unmut, geben aber zu bedenken, dass es sich um eine innerstädtische Kita handele. Dort sei die Spielfläche einfach kleiner als bei Einrichtungen auf dem Dorf. Allerdings kann sich der Außenbereich der St.-Anna-Kita in einem Punkt bald mit den Einrichtungen in Rorup und Merfeld messen. Denn die gleiche Kölner Firma, die dort das naturnahe, gewellte und damit zum Spielen wunderbar geeignete Spielplatzgelände gestaltet hat, wird auch in Dülmen-Mitte tätig werden. „Die Pläne liegen vor; ebenso die nötige Beschlussfassung durch den Kirchenvorstand“, sagt Pfarrer Markus Trautmann.
Da hierfür ein sechsstelliger Betrag, so Fehmer, investiert wird, musste das Bistum Münster eingeschaltet werden. Derzeit warte man auf Antwort und damit grünes Licht für das Vorhaben.
„Zu den Arbeiten am Keller Pins besteht kein Zusammenhang“, betont Trautmann und wendet sich zugleich mit einer Bitte an die Dülmener: Um eine umfassende Restaurierung des Kellers Pins durchzuführen, werden mehrere tausend Euro benötigt. Geld, das durch Spenden zusammenkommen sollte.
Wer das Projekt unterstützen möchte: Bankverbindung: Zentralrendantur Dülmen; Darlehenskasse Münster e. G; IBAN DE84 4006 0265 0003 8877 00; Stichwort: Keller Pins (Spendenquittung wird bei Bedarf ausgestellt.)
Er war noch keine 18 Jahre alt
Als Karl Baumeister (1926-1944) am 8. Oktober 1944 bei der „Schlacht um Aachen“ ums Leben kam, fehlten noch rd. 14 Tage bis zu seinem 18. Geburtstag. Der Dülmener Junge war das zweite Kind von insgesamt vier Geschwistern (Maria, Karl, Ludger, Margret). Die Mutter war bereits gestorben, als die Kinder noch klein waren; der Vater hat die Kinder allein großgezogen. „Karl galt als sehr intelligenter Junge“, weiß Beate Telohe aus den Erzählungen ihres verstorbener Ehemanns zu berichten, der Nachbarjunge und Schulfreund von Karl Baumeister war. So haben die beiden Jungen mal eine selbstgebaute Telefonleitung zwischen den Nachbarhäusern verlegt. Nachdem Beate Telohe 1973 nach Dülmen kam, sei sie in den 70er und 80er Jahren jährlich am Karfreitag mit Margret, der jüngeren und unverheirateten Schwester von Karl Baumeister, nach Ysselsteyn gefahren, um das Grab auf der dortigen Kriegsgräberstätte zu besuchen und ein Blumengebinde abzulegen. Dass Karl Baumeister in den Niederlande begraben liegt, obwohl er im Großraum Aachen ums Leben kam, kann sich Beate Telohe nicht erklären; nach ihrer Erinnerung bzw. den Berichten der ebenfalls schon verstorbenen Margret Baumeister habe Karl gar auf nahegelegenem belgischen Gebiet den Tod gefunden. Wie auch immer: „All‘ Ihr Lieben und Teuren mein, / ich kehre nicht mehr zu euch heim“, steht auf dem Totenbild.
Foto: privat
Die Einstiegsluke kommt
In diesen Tagen konnten Helmut Schlüter und Carsten Jagusch von der Dülmener Metallbaufirma Jostmeier den Treppenabgang zum „Keller Pins“ ausmessen – denn jetzt wird es ernst: Im Laufe des September wird hier eine stabile Einstiegsluke montiert; der störende Bauzaun kann dann verschwinden. Wichtig sind verschiedene Faktoren: Es darf künftig kein Regenwasser mehr direkt in den Kellerbereich gelangen, gleichwohl ist eine optimale Luftzufuhr für das Klima unter dem gläsernen Tetraeder entscheidend. Die gesamte Ausführung muss zudem allen Ansprüchen eines Kindergartenaußenbereichs genügen.
„Nach Besuchen in Ysselsteyn weinte sie tagelang“
Die Bruchsteinmauer im Vordergrund und die Dülmener Kirche Heilig Kreuz im Hintergrund sind noch heute, abgesehen von einigen wenigen Details, erhalten. Doch die vor dieser Kulisse im Frühjahr 1944 posierende Person in Wehrmachtsuniform starb noch im selben Jahr. Die Rede ist von Josef Horstklas (1912-1944), der am 4. Oktober 1944 in den Niederlanden den Soldatentod fand und später auf der Kriegsgräberstätte Ysselsteyn unweit von Venlo zur letzten Ruhe gebettet wurde. Josef Horstklas war Maschinenschlosser, verheiratet und Vater zweier Kinder: Werner und Rita. Als die Nachricht von seinem Tod kam, habe seine Frau Maria (1920-1983) wochenlang laut geweint, so wird bis heute in der Verwandtschaft berichtet. Auch in späteren Jahren, wenn Maria Horstklas, geb. Kück, das Grab ihres Gatten in den Niederlanden besuchte, „war mit ihr danach nichts anzufangen“, erzählt eine Verwandte; „sie weinte dann tagelang.“ Obwohl die Kriegerwitwe noch einmal heiratete und mit dem zweiten Mann noch einen Sohn hatte: „Josef war einfach die Liebe ihres Lebens.“
Foto: privat
Leffmann Rosendahl starb in Ligny
Ein spannender Vortrag wurde zahlreichen Gästen geboten, die sich am 16. August zur Abendstunde im Dülmener Begegnungszentrum „einsA“ eingefunden hatten: Auf Einladung des Dülmener Heimatvereins referierte der Bochumer Historiker Dr. Dirk Ziesing über „Dülmen und die Schlacht bei Waterloo“. Vor dem Hintergrund der ungeheuren politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen im Zuge der Napoleonischen Eroberungszüge und der anschließenden Befreiungskriege skizzierte Ziesing eindrucksvoll zahlreiche Einzelschicksale von gefallenen oder überlebenden Soldaten, die sich als Angehörige des „4. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments“ an der Niederwerfung Napoleons an der Schlacht bei Waterloo beteiligten. Zu jenen, die ihr Leben verloren, gehörte der jüdische Dülmener Leffmann Rosendahl, der 1793 das Licht der Welt erblickte. Mit 20 Jahren, als Dülmen zwischenzeitlich zum Kaiserreich Frankreich gehörte, wurde er 1813 in ein französisches berittenes Jägerbataillon eingezogen, mit dem er nach Italien zog. Von hier aus wechselte er die Seiten und schloss sich 1814 dem erwähnten preußischen Landwehr-Regiment an, das im Sieg über Napoleon in Belgien 1815 eine entscheidende Rolle spielen sollte. Bevor es allerdings zur berühmten Schlacht bei Waterloo kam, trafen am 16. Juni 1815 die preußischen Soldaten unter dem Kommando von Marschall Blücher bei Ligny auf die „Grande Armée“, wo sie eine Niederlage erlitten; es war Napoleons letzter Sieg. Auch Leffmann Rosendahl fand hier, unweit von Charleroi und Namur, den Tod. Ein besonderes Augenmerk richtete Ziesing in seinem Vortrag den Gedenk- und Erinnerungstafeln, die schon bald in ganz Deutschland, so auch in Westfalen bzw. im Münsterland, zur Ehre und zur Erinnerung der Gefallenen der Befreiungskriege angefertigt wurden. Schon 1816 ließ der Dülmener Bürgermeister den Coesfelder Landrat wissen, dass man neben der Tafel für die christlichen Soldaten eine zweite für den jüdischen Gefallenen Rosendahl anschaffen werde. Dirk Ziesing vermutet, dass diese Erinnerungstafel, über deren Größe oder Aussehen keine Informationen vorliegen, in der örtlichen Synagoge angebracht wurde.
Fotos: Veranstaltung (privat); Waterloo: stock.adobe.com/de#milosk50; Westfäische Landwehr: Timothy Nelms