Ein Projekt der
Kirchengemeinde St. Viktor
und dem einsA
Viktorlogo Logo einsA
Der Tief- und Hochbau 
wird gefördert durch
2021JLID hoch rgb   

 

Archiv 2023

Am 24. Mai 1848 verstarb in Meersburg am Bodensee im Alter von 51 Jahren die berühmteste Dichterin Westfalens, Annette von Droste-Hülshoff. 1842 veröffentlichte sie die Novelle „Die Judenbuche“. Darin thematisiert sie einen Mordfall in einem westfälischen Dorf, der erst Jahrzehnte später aufgelöst wird:  Unter einer Buche im Wald wird der jüdische Händler Aaron tot aufgefunden. Verdächtig verhält sich der labile und sozial auffällige Friedrich Mergel. Die Kriminalgeschichte um den jungen Friedrich, seinen geheimnisvollen Doppelgänger und rätselhafte Verbrechen ist eine der berühmtesten Erzählungen der deutschen Literatur. Mit psychologischem Spürsinn und der Kraft hoher Poesie beleuchtet Annette von Droste-Hülshoff die Abgründe der menschlichen Natur.

Die 7b und 7c der Marienschule Dülmen erlebten heute einen spannenden und lehrreichen Tag rund um das Buch „Und im Fenster der Himmel“ von Johanna Reiss. Während des Besuches der Synagoge und des anschließenden Stadtrundganges erfuhren die Schülerinnen und Schüler hautnah die wahre Geschichte der Hauptfigur Annie de Leeuw.

Quelle: Marienschule Dülmen

Am 23. Mai 1873 wurde in Lissa in der preußischen Provinz Posen Leo Baeck geboren, der als Rabbiner und Gelehrter als einer der profiliertesten Vertreter der deutschen Juden zählt. Umstritten ist seine Haltung, nach der er sich gegenüber seinen bedrängten und verfolgten Leidensgenossen in erster Linie als Seelsorger verstand, nicht als Organisator von Widerstand und Flucht. Leo Baeck starb 1956 in London. – Die  1955 gegründete unabhängige Forschungs- und Dokumentationseinrichtung für die Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums mit Sitz in Jerusalem, London, New York und Berlin trägt den Namen „Leo-Baeck-Institut“ (LBI). Für die zeitgeschichtliche Recherche in Dülmen konnte das LBI in New York schon einige Male wichtige Dokumente aus privaten Nachlässen Dülmener Juden beisteuern – so etwa Fotos der Dülmener Familie Dublon oder Innenaufnahmen der Synagoge an der Münsterstraße.

Anlässlich der diesjährigen Erstkommunionfeiern in St. Viktor duften sich die Eltern sowie die Paten der 120 Kommunionkinder über ein besonderes Geschenk der Kirchengemeinde freuen: Ihnen wurde jeweils das Buch „Im Bündel des Lebens“ überreicht, das sich mit jüdischen und alttestamentlichen Spuren in Dülmen befasst. In einem Begleitbrief >>> erläutert Pfarrer Trautmann die Bedeutung der jüdischen Wurzeln für das Christentum. – Unser Bild zeigt Johanna Rensing, Mitarbeiterin im „einsA“, beim Verpacken der Geschenkgaben.

Viele katholische Christen richten im Monat Mai einen besonderen Blick auf die Mutter Jesu – nicht zuletzt durch das Beten und Betrachten der „Lauretanischen Litanei“. Darin wird Maria in besonderen poetischen Anrufungen geehrt. „Eigentlich geht es um das Wirken Gottes an dem jüdischen Mädchen Miriam aus Nazareth und damit an der ganzen Menschheit“, erklärt Pfarrer Markus Trautmann. Etliche alttestamentliche Bezüge lassen sich hier finden. So nimmt etwa die Anrufung: „Du starker Turm Davids“ (Turris Davidica) Bezug zum Hohenlied (4,4). Die Anrufung „Du Bundeslade Gottes“ (Foederis arca) erinnert an den mit Gold überzogenen hölzernen Kasten mit den zwei Tafeln der Zehn Gebote im Jerusalemer Tempel, der von den Juden als Wohnung Gottes interpretiert wurde. Weitere Anrufungen Maria als Königin nennen die „Königin der Patriarchen“ oder die „Königin der Propheten“.

Diese jüdisch-alttestamentlichen Bezüge christlicher Spiritualität haben in Dülmen einen besonderen Ausdruck gefunden: Im Innenraum von St. Viktor befindet sich an der Nordwand eine Kopie des Gnadenbildes von Neviges, zu dem die Dülmener seit dem 17. Jahrhundert pilgern. Das unscheinbare Papierblättchen der „Immaculata“ wird von einer relativ breiten Rahmung aus Silberblech eingefasst. Diese künstlerische Ziselierarbeit der Goldschmiedin Ursula Bach-Wild aus Münster wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aus demoliertem Gebrauchs- und Schmucksilber geschaffen, das beim Wiederaufbau Dülmens aus den Trümmern der Stadt geborgen wurde. Das aus dem eingeschmolzenen Silber entstandene Passepartout zeigt Blüten und kleine Schriftbänder – eben mit den Ehrentiteln für Maria bzw. Anrufungen aus der „Lauretanischen Litanei“ – von denen die letzte und optisch am größten gefasste lautet: „Du Königin des Friedens!“

Die niederländische Regionalzeitung "de stentor" (Redaktionssitz Zwolle) hat einen Bericht über den Besuch von Hans Davidson in Dülmen (18./19.4.) zusammengestellt.

Wir haben ihn übersetzt >>>

Heute wurde die Ausstellung "Vergessenen begegnen", die vom Verein "Spuren finden" in Verbindung mit der "MSD – Münster School of Design" konzipiert und umgesetzt wurde, eröffnet. Die Friedensfreunde Dülmen haben mit Unterstützung der Bürgerstiftung und der VHS dafür Sorge getragen, dass die Wanderausstellung nun in Dülmen zu sehen ist. Fünf der insgesamt sechs Stationen sind im Foyer der "Alten Sparkasse" zu sehen. Stellwände, Dokumentenmappen, Infokarten, Fotos und Audiosequenzen geben Einblick in acht Lebensgeschichten von Menschen aus dem Münsterland, die von den Nazis verfolgt wurden, weil sie im politischen Widerstand, Zeugen Jehovas, Sinti, Menschen mit Behinderungen oder Zwangsarbeiter waren.

Dr. Michael Stiels-Glenn von den Friedensfreunden eröffnete die Ausstellung mit Gedichten von Bertolt Brecht. Als stellvertretender Bürgermeister begrüßte Detlev Rathke die Gäste und nahm in seiner Ansprache Bezug auf die vielfältige Erinnerungskultur in Dülmen. Dabei erinnerte auch an den jüngst verlegten Stolperstein für Isidor Davidson.

Die sehenswerte multimediale Ausstellung ist noch bis zum 22. Mai in der "Alten Sparkasse" Dülmen zu den üblichen Öffnungszeiten der VHS zu sehen.

Alltagsmenschen

Am 14. Mai wird der Staat Israel 75 Jahre alt. Am 14. Mai 1948 wurde ein alter Traum vieler Juden Wirklichkeit – nämlich aus der jahrhundertelangen Diaspora wieder in das „Land der Väter“ heimzukehren. Schon seit dem 19. Jahrhundert gab es verschiedene Phasen der jüdischen Einwanderung nach Palästina, das damals zum Osmanischen Reich gehörte; nach dem Ersten Weltkrieg nahm dann die Ansiedlung der „Zionisten“ im nunmehr britischen Mandatsgebiet Fahrt auf. Die Einschiffung über das Mittelmeer verlief nicht selten auf völlig überfüllten Frachtschiffen ohne genügend Plätze. Vor diesem Hintergrund wurde im deutschsprachigen Raum jener Stuhltanz bzw. jenes Gesellschaftsspiel, bei dem in jeder Spielrunde ein weiterer Teilnehmer ohne Sitzplatz bleibt und ausscheidet, als „Reise nach Jerusalem“ bezeichnet. – Eine vom 30. März bis 27. Juni 2023 im niederrheinischen Rees präsentierte OpenAir-Ausstellung mit Werken der Betonkünstlerin Christel Lechner mit dem Titel „Alltagsmenschen“ stellt in Lebensgröße die „Reise nach Jerusalem“ dar.


Fotos: Mechtild Kitzinger

Vor 90 Jahren zerschlugen die Nazis die Freien Gewerkschaften / DGB regt Feierstunde an.

Es war der 2. Mai 1933, als die NSDAP gewaltsam alle freien Gewerkschaften zerschlug. 90 Jahre danach gedenken die Dülmener und Coesfelder Gewerkschafter nun dem Überfall auf das Gewerkschaftsbüro in Dülmen und Coesfeld. Ortwin Bickhove-Swiderski, Vorsitzender des DRG Dülmen und des Coesfelder Kreisverbandes, regt eine gemeinsame Veranstaltung dazu an. „Wir sollten an diese schrecklichen Vorgänge in einer Feierstunde gedenken“, so sein Vorschlag. Und betont: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“

Bickhove-Swiderski, der sich als Heimatforscher schon häufig mit der NS-Zeit befasst hat, erläutert die Geschehnisse vor 90 Jahren in Dülmen.

So wurde bereits am 22. April 1933 gewaltsam durch die Dülmener NSDAP die Geschäftsstelle des Christlichen Textilarbeiterverbandes in der Marktstraße 41 geschlossen, der hauptamtliche Gewerkschaftssekretär des Christlichen Textilarbeiterverbandes, der Coesfelder Wilhelm Göcke in „Schutzhaft“ genommen. Er hatte zuvor ein Flugblatt unterzeichnet und sich gegen die Absetzung der frei gewählten Betriebsräte ausgesprochen. Die Dülmener NSDAP hatte zuvor die Betriebsräte der Firma Bendix von ihren Funktionen entbunden. Bereits am 19. April waren die frei gewählten Betriebsräte durch die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation gezwungen worden, ihre Mandate aufzugeben.

Ohne je einen Haftbefehl gesehen zu haben, wurde Göcke über fünf Tage im „Braunen Haus“, der Zentrale der NSDAP in Dülmen, gefangen gehalten und dabei mehrmals schwer misshandelt, was ein ärztliches Gutachten bestätigte. Göcke bliebt bis zum 27. April 1933 in „Schutzhaft“. Ab dem 1. September 1933 war er dann ohne Arbeit und ohne Einkommen und erhielt erst im Oktober 1934 eine besoldete Stelle als Kirchenkassenrendant.

Wilhelm Göcke trat mit 15 Jahren dem Christlichen Textilarbeiterverband bei. Ab 1928 war er hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär und wurde 1933 seiner Funktion enthoben. Die „Verhaftung“ nahmen Hilfspolizisten aus den Reihen der SA vor. Nach 1945 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der CDU in Coesfeld, war dort ehrenamtlicher Bürgermeister. Auch als Mitglied des Kreistages und Mitglied der Landschaftsversammlung Westfalen/Lippe war er später aktiv.

Ebenfalls ein Ziel der Nazis: Elisabeth Küper (1901 bis 1991). Sie war ab 1931 hauptamtliche Gewerkschaftssekretärin für den Christlichen Textilarbeiterverband. Elisabeth Küper wurde genau am 2. Mai 1933 wegen „staatsfeindlicher Einstellung“ durch die NSDAP in Münster entlassen. Zwei Jahre lebte sie wegen der Verfolgung wie auf der Flucht. Sie gehörte dem „ernannten Landtag“ NRW 1946 an und am 13. August 1953 gehörte sie zu den Mitbegründern der CDU in Merfeld, so Bickhove-Swiderski.

Er erinnert auch an das Schicksal weitere heimische Funktionäre: Franz Bargel, der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), lebte 1933 schon in der Illegalität. Von Kollegen wurde er bis 1945 mit Nahrung und kleinen Geldspenden unterstützt. Seine Nerven waren so zerrüttet, dass er nach dem Krieg keiner Arbeit mehr nachgehen konnte. Anton Hörbelt wurde ebenso als Gewerkschaftsfunktionär geschlagen und geschunden. Er war bis 1933 Parteisekretär der SPD und nach 1945 einer der ersten hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre im Kreis Coesfeld.

Der Heimatforscher erinnert zudem daran, dass das NS-Regime den 1. Mai als „Tag der nationalen Arbeit“ zum gesetzlichen Staatsfeiertag bei voller Lohnfortzahlung erklärt hatte, um unter Arbeitern Sympathien für den Nationalsozialismus zu fördern. Damit gingen sie scheinbar auf eine alte Forderung der internationalen Arbeiterbewegung ein. Endgültig wurde der 1. Mai gesetzlicher Feiertag durch Gesetz vom 27. Februar 1934.

Am 1. Mai 1933 wurde auch in Dülmen und Coesfeld der „Tag der nationalen Arbeit“ erstmals als gesetzlicher Feiertag begangen. Um 8.30 Uhr mussten die Belegschaften vor den Betrieben antreten, dann wurde die Hakenkreuzfahne auf dem jeweiligen Gebäude gehisst und ein dreifaches Heil auf den Führer ausgerufen. Dann eine Übertragung der Rede Hitlers. Abends Fackelumzüge mit allen Formationen, von Schützenvereinen bis zu Turn- und Sportvereinen, selbst die jeweiligen Innungen marschierten mit.

 

Bericht der Dülmener Zeitung, Foto: Stadtarchiv Dülmen
DZ Icon

Am 25. April 2023 kehrte wieder ein Stück Geschichte zurück nach Dülmen. Frau Gerda Küper, Herr Christopher van Deenen und Herr Patrick Südmersen brachten den Schrank der Familie Hermann Leeser wieder zurück nach Dülmen. Der Schrank steht in der Hermann-Leeser-Schule. Darin sollen künftig Erinnerungsstücke ausgestellt werden, damit auch hier ein schöner Bezug zum Namensgeber für kommende Schülerinnen und Schüler gezeigt werden kann.
zu dem Nachlass gehören auch jede Menge Leinenprodukte, wie z.B. Handtücher, Servietten und Tischdecken, aus der Weberei Bendix.

Quelle: Hermann-Leeser-Schule

Bücher

Auf jüdische Spuren
in der Stadtbücherei

„Im Übrigen, mein Sohn, lass dich warnen!“, so beendet der alttestamentliche Weise Kohelet das gleichnamige Werk: „Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben, und viel Studieren ermüdet den Leib.“ (Koh 12,12) Gleichwohl erfreuen sich Buchläden und Büchereien nach wie vor großer Beliebtheit: Nicht zuletzt in Zeiten der Corona-Einschränkungen griffen viele Menschen verstärkt zu Büchern. Ein kleiner Rundgang durch die Dülmener Stadtbücherei nennt zehn hier vertretene jüdische Autorinnen und Autoren.

Hannah Arendt

Weiterlesen ...

Matthias Menkhaus

Matthias Menkhaus

Verbundleiter Kindertageseinrichtungen 

Eine lebendige Erinnerungskultur ist heute wichtiger denn je. Was wäre da offensichtlicher, als eine Erinnerungsstätte in einen Ort der puren Lebendigkeit einzubinden – in eine Kindertageseinrichtung! An diesem Ort der Begegnung kann die sprichwörtliche „Brücke“ zwischen der Vergangenheit und einer weltoffenen Zukunft geschlagen werden.